Wenn Sie das erste Beispiel mit der Rentenlücke gelesen haben, fragen Sie sich vielleicht auch, ob und wie Herr X so viel sparen kann. Spinnen wir das Beispiel einfach mal weiter...
Sollten Sie das Beispiel noch nicht gelesen haben, fangen Sie am besten dort an, da alles weitere darauf aufbaut. Und wie beim ersten Beispiel gilt auch hier: alles ist ohne Gewähr auf Richtigkeit und dient nur als Anregung, sich mit dem Thema Finanzen zu beschäftigen.
Kommen wir wieder zu Herrn X. Wenn Herr X den zuvor angenommenen Betrag von 360.000€ in 35 Jahren sparen möchte, müsste er jeden Monat 857€ zurücklegen.
360.000€ / ( 35 Jahre * 12 Monate ) = 857€ pro Monat
Das entspräche einer Sparquote von über einem Drittel des Gehalts (857€ / 2.500€ = 0,34 = 34%) und ist wahrscheinlich für viele Angestellte nicht einfach oder im vollen Umfang zu erreichen.
Herr X hat jetzt zwei Möglichkeiten: entweder er reduziert sein Sparziel und schränkt sich im Alter finanziell ein oder er kann versuchen, seine Ersparnisse gewinnbringend anzulegen. Für dieses Beispiel nehmen wir an, dass er die zweite Möglichkeit wählt und versucht, sein Geld für sich arbeiten zu lassen.
Aber das gibt es nicht für umsonst: Je höher die Rendite ausfallen soll, umso mehr Risiko muss er eingehen. Und dass es am Ende funktioniert und er sein Sparziel erreicht, ist nicht garantiert.
Risiko bedeutet nämlich, dass das Geld zu einem bestimmten Zeitpunkt eventuell nicht in der Höhe vorliegt, wie man es erwarten würde. Oder nicht so elegant formuliert: wenn es schlecht läuft, besteht die Möglichkeit, dass das Geld ganz oder teilweise "futsch" ist.
Sofern Herr X frühzeitig mit dem Sparen beginnt und die Zeitspanne groß genug ist, z.B. 20, 30 oder besser noch mehr Jahre, kann er Unterstützung vom Zinseszins erwarten.
Würde Herr X zum Beispiel seine monatlichen Ersparnisse über 35 Jahre mit einer durchschnittlichen Rendite von 3,65% anlegen, halbiert sich die erforderliche Sparrate auf ca. 428€ – das ist immer noch viel, aber eben nur noch die Hälfte der zuerst berechneten Sparrate und vielleicht irgendwie machbar.
Um auf die Prozentzahl zu kommen, ist etwas mehr Rechenaufwand nötig, den ich hier aus Platzgründen nicht zeige, weil der Text schon so lang ist. Es gibt aber auch Webseiten, auf denen Sie solche Berechnungen mit wenigen Klicks selber anstellen können.
3,65% Rendite klingt im ersten Moment nach nicht viel. Allerdings sind dort weder Kosten, Inflation noch Steuern berücksichtigt.
Vor dem Hintergrund von langfristigen, realen Renditen von typischen Finanzprodukten sieht das schon anders aus. Produkte mit wenig Risiko wie erstklassige Staatsanleihen oder Sparbücher haben reale Renditen von leicht negativ bis vielleicht 1%. Die höchste Rendite - wegen des deutlich höheren Risikos - haben Aktien mit bis zu vielleicht 5 oder 6%. Dies sind reale Anhaltswerte, bei denen die Inflation bereits herausgerechnet ist.
Noch dazu sind es theoretische Werte. In der Praxis fallen je nach Finanzprodukt Kosten und Gebühren an, die die Rendite entsprechend reduzieren. Das Kosten-und-Gebühren-Spektrum reicht hier von null oder ganz wenig (z.B. bei einem Konto) bis zu einigen Prozenten des Anlagebetrags (z.B. bei aktiv gemanagten Fonds). Hohe Kosten reduzieren die Rendite erheblich. Und sie fallen immer an, egal wie sich das Finanzprodukt entwickelt – selbst, wenn das Finanzprodukt Verluste macht.
Zu guter Letzt fallen am Ende noch Steuern auf Gewinne an, die meist in der Größenordnung von 25 bis 30% liegen.
Was bedeutet das für die Netto-Rendite von 3,65%, die Herr X gerne erzielen würde?
Nehmen wir an, er wählt ein Finanzprodukt mit 2,5% Kosten, die Inflationsrate liegt bei 1% und Gewinne werden mit 30% besteuert. Wie hoch müsste die tatsächliche Rendite liegen?
3,65% + 2,5% + 1% = 7,15% Rendite ohne Steuern
7,15% / 0,7 = 10,2% Rendite mit eingerechneten Steuern
Die langfristige, durchschnittliche Brutto-Rendite müsste also bei über 10% liegen, damit die gewünschte Netto-Rendite von 3,65% erreicht wird. In Anbetracht der o.g. Anhaltswerte wird Herr X mit dem gewählten Produkt sein Sparziel höchstwahrscheinlich nicht erreichen können.
Würde er stattdessen ein Finanzprodukt mit 0,25% Kosten finden, sähe die Situation so aus:
( 3,65% + 0,25% + 1% ) / 0,7 = 7,0% Rendite mit eingerechneten Steuern
Eine durchschnittliche Rendite von 7% ist immer noch sehr hoch, aber statistisch deutlich öfter zu erreichen. Der Einfluss der Kosten ist dabei deutlich zu sehen und wie er die Rendite beeinflusst.
Für welche Geldanlage sich Herr X am Ende entschieden hat, hat er uns nicht gesagt. Eigentlich ist das aber auch nebensächlich, denn das wichtige sind die Erkenntnisse, wie groß oder klein reale Renditen sind, dass Inflation und Steuern eine Rolle spielen und dass die Kosten ein nicht zu unterschätzender Faktor sind. Deshalb schließen wir hier das fiktive Beispiel ab und ziehen ein Fazit.
Ob Herr X sein Sparziel erreichen wird, wissen wir nicht. Und auch Herr X erst, wenn er in Rente ist. Und ob das Geld dann bis zum Lebensende reicht, hängt wieder von anderen Faktoren ab...
Die Entscheidung, welchen Weg Herr X beim Sparen einschlägt, wird sein Leben beeinflussen – früher oder später:
Außerdem haben die Art und die Zusammensetzung der Geldanlage einen nicht zu unterschätzenden Einfluss.
Wählt Herr X eine Geldanlage mit hohem Risiko, wird er wahrscheinlich schlechter schlafen, wenn z.B. in Krisenzeiten die Werte oder Kurse seiner Geldanlage Achterbahn fahren. Und je höher das Risiko, je höher ist auch die Wahrscheinlichkeit, dass es schiefgeht und er sein Sparziel nicht erreicht.
Wählt er ein geringes Anlagerisiko, kann er vielleicht nicht so viel schlafen, weil er mehr arbeiten muss.
Und vergessen wir einen entscheidenden Punkt nicht: die Kosten. Sind diese zu hoch, wird Herr X sein Ziel mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht erreichen. Und die Kosten sind neben der Art und Zusammensetzung der Geldanlage der Punkt, den Herr X selber beeinflussen kann – bei Inflation, Steuern und der allgemeinen Wirtschaftslage ist das eher nicht der Fall.
Für alle, die sich fragen, warum keine Versicherungen oder Immobilien bei den typischen Geldanlagen aufgelistet sind:
Die meisten Finanzprodukte von Versicherungen investieren auch nur in typische Geldanlagen von Anleihen bis Aktien, eventuell gibt es noch ein paar staatliche Zuschüsse oder ähnliches. Zusätzlich haben die Versicherungen auch Kosten, z.B. für Büros, Mitarbeiter und Werbung, und möchten verständlicherweise am Ende auch etwas Gewinn machen. Daher liegen die Kosten für ein Finanzprodukt einer Versicherung unter dem Strich meist höher als bei einem, in das direkt investiert wird.
Und Immobilien sind ein komplexes Thema. Nehmen wir als Beispiel, das jeder kennt, eine selbstgenutzte Immobilie: sie hat permanente Kosten und ob am Ende - beim Verkauf im Rentenalter oder danach durch die Erben - ein Gewinn abfällt, ist meist mehr als ungewiss. Für langfristige, reale Renditen von selbstgenutzten Immobilien finden sich in der Literatur kleine Werte zwischen 0 und 2%. Daher ist eine selbstgenutzte Immobilie in vielen Fällen eher eine persönliche Entscheidung oder Spekulation als eine Investition – dass man prima darin wohnen kann und viele damit sehr glücklich sind, ändert nichts daran.
Bitte bedenken Sie, dass es sich hier nur um unverbindliche Annahmen und vereinfachte Beispielrechnungen handelt. Und obwohl der Artikel relativ lang ist, beschreibt er die erwähnten Punkte nur im Ansatz, weil das Thema Geldanlage so groß und vielschichtig ist. Vielleicht können Sie trotzdem die eine oder andere Anregung mitnehmen und für Ihre Finanzplanung nutzen oder sind neugierig geworden und arbeiten sich weiter in diese Materie ein.
Letztendlich entscheiden Sie selber, wie Sie Ihr Geld anlegen. Ich kann Ihnen nur die Empfehlung mitgeben, sich umfassend und frühzeitig mit dem Thema auseinander zu setzen.
Wenn Sie sich entschieden haben, wie Sie Ihr Geld anlegen, können Sie mit meinem Programm Ihre Geldanlagen einfach nachbilden und verwalten. Und Sie behalten den Überblick – auch über die Kosten. :)